Erlebnisbericht: Vier Wochen im Karl

KARL ist ein faszinierendes Projekt. Das habe ich ohne jeden Zweifel erfahren und viele Besucher teilen diese Meinung. Da ich die Chance hatte, KARL vier Wochen zu bewohnen, möchte ich allen Interessenten meine Erfahrungen weitergeben.

zu mir – Oliver Bradtke, vierwöchiger KARL-Bewohner am Dutzendteich in Nürnberg

Vorab ein paar Worte zu mir, damit ihr meine Beschreibungen und Meinung besser einordnen könnt: Ich bin 31 Jahre alt, verheiratet und arbeite circa 100 Kilometer entfernt von Nürnberg, wo ich KARL bewohnt habe. Warum sage ich das? Es ist wichtig, wenn es um das alltägliche Leben im KARL geht. Während KARL meine Unterkunft war, besaß ich bis auf zwei Koffer und ein Auto nichts. Keine Wohnung und auch meine Frau war nicht mehr da. Nein, sie ist nicht mit meinen Sachen durchgebrannt. Wir wohnen jetzt zusammen in Portland und sowohl sie, als auch unser Hab und Gut, waren schon auf dem Weg in die USA. Ich war also komplett auf KARL angewiesen und konnte auch nicht ausweichen. Persönlich schätze ich den einen oder anderen Luxus und bin definitiv kein Öko, aber ich habe viel über ein nachhaltiges Leben im KARL (zu schätzen) gelernt.

Aller Anfang ist schwer.

November 2016: Wie so vieles im Leben war auch der Anfang mit KARL etwas holprig. Mir zu Liebe wurde KARL extra „versetzt“ und zwischen Colloseum und Dutzendteich, nahe dem Nürnberger Messegelände, platziert.

Zu meinem Bedauern war aus technischen Gründen zunächst kein Warmwasser verfügbar. Das Problem wurde in der Theorie schnell behoben, zog sich aber leider doch noch sehr lange durch unsere gemeinsame Historie.

Zudem habe ich es als Kamin-Neuling anfangs kaum auf die Kette bekommen, das Feuer im Ofen bei Laune zu halten. Das führte dazu, dass es selten warm war, dafür aber immer mehr wie in einer Räucherei roch. Wiederum eine Sache, von der ich noch länger zehren konnte, denn meine Sachen konnte ich in KARL auch nicht ohne Weiteres waschen. Zum Glück habe ich dann aber irgendwann herausgefunden, dass es an der Frischluftzufuhr lag. Eine Erkenntnis, die mir sehr geholfen hat, denn auf 15qm ist der Sauerstoff rasch aufgebraucht.

Ansonsten haben KARL und ich uns aber sehr schnell angefreundet: Seine Lage am See war sehr charmant, sein Kühlschrank hielt Wein für mich bereit und auch ansonsten ist er top eingerichtet. Doch nun Schritt für Schritt.

Alltag.

Für mich begann der Alltag im KARL immer zwischen 5:30 und 6:00 Uhr morgens. Leider überhaupt nicht meine Zeit, aber dies war der täglichen Pendelei nach Ingolstadt geschuldet. Natürlich war es zu dieser Zeit noch dunkel draußen. Das war zunächst kein Problem, denn die Batterie von KARL war zu Beginn noch gut geladen und die Sonne sorgte täglich dafür, dass der Strom nie ausging. Klasse, diese Autarkie – fand ich zu diesem Zeitpunkt noch. Doch alles sollte sich mit dem Zeitpunkt ändern, als es tagelang nur durchgeregnete. An diesen Tagen fiel der Stromspeicher unter zehn Prozent und KARL wechselte automatisch in den Reservestrom. Licht ist da nicht mehr mit dabei. Hier stand ich auf einmal morgens im Dunkeln. Und da ich eine Dusche brauche, um einigermaßen fit in den Tag zu starten, wurde hierfür einfach eine Kerze hergenommen. Romantisch, mag der ein oder andere nun denken. Nicht wirklich, fand ich.

Dadurch, dass die Warmwasser-Erzeugung anfangs und erst recht nicht über Nacht klappte, blieb mir nichts anderes übrig als kalt zu duschen. Versteht mich nicht falsch: Ich kann durchaus mal eine kalte Dusche ab, aber wenn es über Nacht komplett ausgekühlt hat und mich draußen schon der erste Frost erwartet, dann habe ich nichts gegen eine Dusche oberhalb von 20 Grad.

Gefrühstückt habe ich unter der Woche nicht im KARL. Kaffee und Brezen gab‘s am Hauptbahnhof und danach ging es in den warmen Regionalexpress in Richtung Ingolstadt.

Wenn ich nach Feierabend wieder bei KARL ankam, war er natürlich restlos ausgekühlt. Schließlich hatte seit 22 Stunden keiner mehr geheizt. Deswegen bestand mein erstes „To Do“ darin, den Ofen anzufeuern und eine Grundwärme zu erzeugen. Gar nicht so einfach, wenn man bei Temperaturen um den Gefrierpunkt die Tür auflassen muss, um trotzdem genügend Sauerstoff im Raum zu haben. Nach einiger Zeit lief das aber gut. Danach konnte ich auch meinen Mantel ausziehen. Zum Glück gab es unter Tag immer gerade noch genug Sonne, sodass ich in den Abendstunden ausreichend Strom für Licht hatte und mein Handy und meinen Laptop laden konnte. Den Mini-Kühlschrank hatte ich schon länger vom Strom genommen. Im Auto am Parkplatz vor dem KARL war es kalt genug, um meine Lebensmittel frisch zu halten. Morgens ging es wieder von vorne los – ohne Strom. Einmal leider mit so wenig Rest-Energie, dass auch die Wasserpumpen während des Duschens aufhörten zu arbeiten. Ungünstig, denn ich war gerade shampooniert. Zum Glück eine Ausnahme.

Kochen.

In der Regel war ich außerhalb essen. Das war mit der Pendelei wesentlich einfacher, aber natürlich wollte ich auch testen wie es ist, im KARL zu kochen. Und es geht sehr gut. Insbesondere wenn man nur für eine oder zwei Personen kocht. Der Brenner wird mit Spiritus gefüllt und ab geht‘s mit dem Topf auf die offene Flamme. Mehr als Pasta war abends aber nicht drin. Ein Ofen ist nicht vorhanden und es wäre sicher spannend gewesen, mal ein Stück Fleisch zu braten, denn der Dunst kann nur durch Fenster und Türen abziehen. Auf Dauer hätte ich mir sicherlich noch einen Grill für draußen angeschafft, auch wenn sowohl Kohle als auch Gas nicht wirklich in das Autarkie-Konzept von KARL passen.

Home Office.

Eine weitere Sache, die ich ausprobieren wollte, waren die Home Office Eigenschaften von KARL. Hierfür baute ich KARLs Tisch auf, der sonst immer unter dem Bett verstaut war. Für den Alltag nimmt er nämlich doch etwas viel Platz ein. Ich muss sagen, eine etwas wackelige Angelegenheit, aber durchaus nutzbar als Schreibtisch. Kaffee gab‘s auch, also konnte ich losgelegen. KARL ist mit Sicherheit wesentlich schöner als mein Büro und bietet genug Inspirationen für kreatives Arbeiten. Einziges Manko: die Internetverbindung ist etwas schwach auf der Brust. An dieser Stelle kam ich nicht darum herum mein Handy als Zugang ins Web zu nutzen. Unterm Strich aber auf jeden Fall tauglich.

Besucher und Interessenten.

KARL ist eine kleine Rampensau. Ein echter Interessenten-Magnet. Viele Leute haben von außen wild spekuliert, was KARL eigentlich ist. Ein Eiswagen? Eine mobile Sauna? Ein Bauwagen? Ein Toilettenhäuschen? Nein, nichts davon. Sondern eine vollwertige Wohnung.

Wenn ich am Wochenende einmal die Türen aufgelassen und den Vorhang zur Seite geschoben hatte, ergaben sich stets nette Unterhaltungen mit vielen Interessierten, die gerne mehr über KARL wissen wollten. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen für eine solche Art des Wohnens empfänglich sind und insbesondere die Reduzierung auf das Minimale reizvoll finden. Oftmals zeigten sich die Männer eher bereit, ihre großflächigen Wohnungen und Häuser gegen ein solches Wohnprojekt einzutauschen. Insbesondere die Generation ab 45 war sehr aufgeschlossen. Spannend fand es am Ende jeder, der sich auf ein Gespräch eingelassen hat.

Fazit. 

Was habe ich nach vier Wochen mitgenommen? Durch die Komplikationen, die es insbesondere im Bereich der Energieversorgung gab, wäre ich heute noch nicht bereit dazu, voll auf Autarkie zu setzen. Ich habe aber viel über meinen eigenen, nachhaltigen Lebensstil mitgenommen und gelernt, mich für regenerative Lösungen zu begeistern.

Was mir sehr gut gefallen hat, war das unbeschwerte Leben ohne viel Besitz. Was mir persönlich hingegen auf Dauer fehlen würde, sind Dinge wie eine Waschmaschine oder die Möglichkeit, eine größere Mahlzeit zuzubereiten.

Es war jedenfalls eine spannende Zeit. Ich werde KARL stets in guter Erinnerung behalten und vielleicht kommen wir ja nochmal zusammen, wenn die kleinen Wehwehchen behoben sind und ich wieder mal zu Besuch in der Frankenmetropole bin. Vielen Dank für diese einmalige Chance.

Author: Redaktion

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